Mit dem „Porr-Urteil“ vom 17. November 2022 (Az.: C-238/21) hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Möglichkeiten für die Nutzung von Bodenmaterial erweitert. Das Bundesumweltministerium tut jedoch alles, damit die Kreislauffähigkeit von sogenannten mineralischen Ersatzbaustoffen erschwert wird und das Material auf Deponien landet.
Jährlich fallen bei Baumaßnahmen in Bayern rund 33 Mio. Tonnen Bodenaushub an. Dieser riesige Stoffstrom wird derzeit noch überwiegend als Abfall behandelt. Zwar werden etwa 89 Prozent der Bau- und Abbruchabfälle, zu denen auch die Abfallart „Boden und Steine“ gehört, verwertet, aber dies geschieht meist noch durch die Verfüllung von Gruben und Brüchen mit Bodenaushub. Viel zu wenig Bodenaushub wird als Baumaterial auf anderen Baustellen wiederverwendet. Dies muss sich schnell und radikal ändern. Denn zum einen führen konkurrierende Nutzungen, immer weniger Abbauflächen und eine vielerorts mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung zum Rückgang der Abbauflächen und damit auch der künftigen Verfüllgruben für Bodenmaterial und Bauschutt, zum anderen zwingt die klimagerechte und dem Stoffkreislauf verpflichtete Transformation der Bauwirtschaft zur Wiederverwendung von Bodenaushub als wertvolle Ressource für Bauvorhaben.
Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 17.11.2022 mit seinem richtungsweisenden „Porr“-Urteil (EuGH-Urteil vom 17.11.2022, Aktenzeichen C-238/21) bestätigt. In der Folge dieses Urteils ergeben sich neue Möglichkeiten, Bodenmaterial, auch wenn es nicht wieder auf derselben Baustelle verwendet werden soll, als so genannten „Nicht-Abfall“ einzustufen.
So kann man Aufgrund des „Porr“-Urteils des EuGH Folgendes festhalten:
- Bestimmt der Bauherr schon vor dem Aushub die Qualität des Bodenmaterials und organisiert eine dazu passende umweltgerechte und rechtmäßige Verwendung, ist das ausgehobene Bodenmaterial kein Abfall, weil es an einer Entledigung fehlt.
- Ausgehobenes Bodenmaterial kann als Nebenprodukt im Sinne des § 4 Absatz 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und somit als Nicht-Abfall qualifiziert werden, wenn das ausgehobene Bodenmaterial die Nebenprodukt-Voraussetzungen erfüllt. Das Herstellungsverfahren, bei dem das ausgehobene Bodenmaterial erzeugt wird, ist die Bautätigkeit, so der EuGH.
Eine vorübergehende Zwischenlagerung des ausgehobenen Bodenmaterials für den Zeitraum, der benötigt wird, um das Material seiner vorgesehenen Wiederverwendung operativ zuzuführen, ist für die Nebenprodukt-Qualifizierung unschädlich. - Die Vermeidung des Anfalls von Bodenaushub als Abfall hat höchste Priorität.
- Wenn das Bodenmaterial zunächst als Abfall behandelt werden muss, kann dieses seine Abfalleigenschaft bereits am Ort der Baustelle durch bloße Vorbereitung zur Wiederverwendung, insbesondere durch eine die Wiederverwendung ermöglichende Bestimmung seiner Qualität verlieren – also schon im Ausbauzeitpunkt und nicht erst im Wiedereinbauzeitpunkt, wenn das Bodenmaterial anderenorts tatsächlich zu Bauzwecken verwendet wird.
Die im Bundesumweltministerium erarbeitete und seit 1. August 2023 geltende Ersatzbaustoffverordnung legt den Focus stattdessen auf die Abfalleinstufung nahezu jedes Bodenmaterials und einen hochbürokratischen Nachweis der Schadstofffreiheit bei unrealistisch niedrigen Grenzwerten vor jeder Verwertung in technischen Bauwerken – Bodenaushub wird in diesem Ministerium nicht als wertvolle Ressource, sondern als potentieller Schadstoff und Umweltrisiko gesehen. Das ist sehr teuer, umweltfeindlich, produziert viel CO2 durch sinnlose LKW-Fahrten und verstopft Deponien mit Material, welches nicht dahin gehört.
Die Frage ist nun, wann endlich der Verordnungsgeber reagiert und die hochbürokratische und praxisuntaugliche Ersatzbaustoffverordnung den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs anpasst. Mit dem im Dezember der Fachöffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegten sogenannten Eckpunktepapier zu einer weiteren neuen Abfallende-Verordnung macht das Bundesumweltministerium deutlich, dass es nichts verstanden hat und die Kreislauffähigkeit von Bauabfällen noch mehr erschweren will, indem es nur noch nach einem zu vollziehenden aufwändigen bürokratischen Verfahren für einen sehr kleinen Teil der gütegesicherten MEBs ein Abfallende zulassen will. Ohne Produktstatus für alle mineralischen Ersatzbaustoffe wird es jedoch keine Akzeptanz für diese geben.