Am 1. August 2023 traten die Ersatzbaustoffverordnung (EBV) und die novellierte Bundes-Bodenschutz-und Altlastenverordnung (BBodSchV) in Kraft. Sie bringen grundlegende umweltrechtliche Neuerungen für den Umgang mit den rund 200 Mio. Tonnen mineralischen Bauabfällen (Bodenaushub und Bauschutt), die jedes Jahr anfallen, mit sich. Die Verordnungen sind lang, kompliziert, hoch bürokratisch in der Umsetzung und bergen im Vollzug erhebliche Rechtsunsicherheiten. An dieser Stelle greife ich Fragen auf, die in der Beratung der Baupraktiker immer wieder kehren und einer Antwort bedürfen.
Kann nach Ersatzbaustoffverordnung untersuchtes Bodenmaterial und Baggergut als nicht gefährlicher Abfall auf Deponien ohne Beprobung nach DepV entsorgt werden?
Grundsätzlich ja. Denn diese Abfälle gelten gem. § 6 Abs. 1a DepV ohne weitere Beprobung nach DepV als nicht gefährliche Abfälle mit den Abfallschlüsselnummern 17 05 04 „ Boden und Steine mit Ausnahme derjenigen, die unter 17 05 03 fallen“ oder 17 05 06 „Baggergut mit Ausnahme desjenigen, das unter 17 05 05 fällt“.
Als nicht gefährliche Abfälle, die die Zuordnungskriterien des Anhangs 3 Nummer 2 für die Deponieklasse I einhalten werden eingestuft:
- Bodenmaterial der Klasse F2 oder F3 (BM-F2, BM-F3),
- Baggergut der Klasse F2 oder F3 (BG-F2, BG-F3) und
- Recycling-Baustoff der Klasse 1, 2 oder 3 (RC-1, RC-2, RC-3)
Als Inertabfälle, die die Zuordnungskriterien des Anhangs 3 Nummer 2 für die Deponieklasse 0 einhalten werden eingestuft:
- Bodenmaterial der Klasse 0, 0*, F0* oder F1 (BM-0, BM-0*, BM-F0*, BM-F1) und
- Baggergut der Klasse 0, 0*, F0* oder F1 (BG-0, BG-0*, BG-F0*, BG-F1).
Hierauf wird u.a. in einem Rundschreiben des Niedersächsische Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz vom 28.11.2023, Az.: Ref36-62800/050-0084-001, „Ergänzende Hinweise zur Einstufung von Bodenmaterial, Baggergut und Bauschutt nach der Gefährlichkeit im Sinne der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV): Nach Ersatzbaustoffverordnung untersuchte Materialien“, https://www.ngsmbh.de/bin/pdfs/Erlass_Hinweise_EBV.pdf verwiesen.
Wann ist nach Ersatzbaustoffverordnung untersuchtes Bodenmaterial und Baggergut als gefährlicher Abfall einzustufen?
Wenn das Material nicht mindestens die Anforderungen der Materialklasse BM-F3 oder BG-F3 erfüllt, ist von einem gefährlichen Abfall im Sinne der AVV auszugehen. Dies gilt nicht, wenn sich die Materialwertüberschreitungen, die zu der Nicht-Einhaltung der Anforderungen für die betreffenden Materialklassen führen, ausschließlich auf die Parameter:
- mineralische Fremdbestandteile,
- pH-Wert,
- elektrische Leitfähigkeit,
- Sulfat,
- TOC
beziehen und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Überschreitungen im Zusammenhang mit gefährlichen Inhaltsstoffen im Sinne des Anhang 3 der Richtlinie 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie) stehen.
Das Niedersächsische Umweltministerium führt hierzu im erwähnten Rundschreiben https://www.ngsmbh.de/bin/pdfs/Erlass_Hinweise_EBV.pdf aus:
„Bei den Materialwerten ist zwischen den regelmäßig zu untersuchenden Materialwerten in Anlage 1 Tabelle 3 ErsatzbaustoffV (Regelparameter) und den zusätzlichen Materialwerten in Anlage 1 Tabelle 4 ErsatzbaustoffV (Zusatzparameter) zu unterscheiden. Die Regelparameter entsprechen dem Mindestuntersuchungsumfang, der bei unspezifischem Verdacht zu prüfen ist. Die Zusatzparameter sind bei Anhaltspunkten für das Vorliegen entsprechender Schadstoffe ergänzend zu prüfen.
Soweit im Einzelfall Anhaltspunkte für weitere Schadstoffe vorliegen, die durch die vorgenannten Parameter nicht abgedeckt sind (z. B. sprengstofftypische Verbindungen), sind diese ergänzend zu bewerten. Sie können für die Einstufung als gefährlicher Abfall aus-schlaggebend sein. In Zweifelsfällen ist die Bewertung dieser zusätzlichen Parameter mit der Zentralen Unterstützungsstelle Abfall, Gentechnik und Gerätesicherheit (ZUS AGG) beim Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim abzustimmen. Für PCDD/PCDF (TEq) gilt der Abgrenzungswert 1.000 ng/kg Trockenmasse1.“
Das Problem:
Nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 a DepV ist im Regelfall bei Anlieferung des Abfalls an eine Deponie eine Beprobung nach der Deponieverordnung entbehrlich, wenn eine ordnungsgemäße Klassifikation des Bodenaushubs oder Bauschutts nach der Ersatzbaustoffverordnung durchgeführt wurde. Der Genehmigungsbescheid der Deponie dürfte sich aber regelmäßig nach den Schadstoffgrenzwerten und den Beprobungsanforderungen der DepV richten. In dieser weichen sowohl das Analyseverfahren von demjenigen der EBV ab (WF-Verhältnis 10:1 gemäß Anhang 4, Ziffer 3.2.1.1 DepV statt 2:1 gemäß § 9 Abs. 2 EBV) als auch teilweise die Zuordnungswerte für einzelne Schadstoffe (Anhang 3 Ziffer 2 DepV). Der Deponiebetreiber trägt somit das Risiko, nicht für seine Deponie zugelassene Abfälle zur Beseitigung anzunehmen, wenn er auf eine Beprobung nach DepV bei Annahme verzichtet. Es ist also trotz der Regelung in § 6 Abs. 1 a DepV zu empfehlen, sich mit dem jeweiligen Deponiebetreiber abzustimmen, ob nicht doch eine zusätzliche Beprobung nach DepV vor Anlieferung des Abfalls erforderlich ist.