Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in einem aktuellen Urteil (BVerwG, Urteil vom 09.11.2017, Az. 3 A 4.15) im Zusammenhang mit der Überprüfung eines Planfeststellungsbeschlusses für eine Bahntrasse in Bayern ausführlich mit dem Rechtscharakter der LAGA M 20 befasst. Dabei hat es insbesondere das Zusammenwirken von Abfallrecht, Bodenschutz- und Wasserrecht beleuchtet.
Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 09.11.2017, Az. 3 A 4.15) folgt für die Anwendung der LAGA M20 und den (offenen) Einbau von Bodenaushub:
Leitsatz zum Rechtscharakter der LAGA M 20 und zur Zulässigkeit des Einbaus von Bodenmaterial der Schadstoffklasse Z 1.1
“Die „Mitteilungen der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) 20, Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen“ – LAGA M 20 Teil II (1997) – sind geeignet, die sich aus den Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung ergebenden Anforderungen an den Einbau von mineralischen Abfällen zu konkretisieren. In den Zonen I bis III A eines Wasserschutzgebietes ist hiernach ein offener Einbau von Boden nicht zulässig, der nur die Werte der Schadstoffklasse Z 1.1 einhält.” Zur Begründung führt das Gericht aus, dass der offene Einbau von Dammschüttmaterial der Schadstoffklasse Z 1.1 (LAGA M 20) in der Zone III eines Wasserschutzgebiets mit den Vorschriften zum Schutz der öffentlichen Wasserversorgung grundsätzlich nicht vereinbar ist, wenn eine von der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde gemäß § 51 Abs. 1 WHG erlassene Wasserschutzverordnung verbietet, in den Zonen I bis III des Wasserschutzgebietes u.a. zum Eisenbahnbau wassergefährdende auslaug- oder auswaschbare Materialien (z.B. Schlacke, Bauschutt, Teer, Imprägniermittel u.ä.) zu verwenden und nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass anfallendes Oberflächenwasser Schadstoffe aus dem Damm auswäscht und in das den Trinkwasserbrunnen zuströmende Grundwasser einträgt.
LAGA M 20 ist keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift
Das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt seine Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 – BVerwG Az. 7 C 26.03), dass die LAGA M 20 zwar keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift und damit weder für die Behörde noch für das Gericht verbindlich sei, sie spiegele jedoch einen allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wider.
Vorsorge bei Bauvorhaben richtet sich nach Wasserrecht
Liegen der Gehalt oder die Konzentration der Schadstoffe unterhalb der jeweiligen bodenschutzrechtlichen Prüfwerte für den Wirkungspfad Boden – Grundwasser nach Nr. 3.1 des Anhangs 2 der BBodSchV, ist insoweit der Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast zwar ausgeräumt (§ 4 Absatz 2 Satz 1 BBodSchV). Werden die Prüfwerte nach Anhang 2 der BBodSchV für den jeweiligen Wirkungspfad jedoch überschritten, ist unter Berücksichtigung der Bodennutzung eine einzelfallbezogene Prüfung durchzuführen und festzustellen, ob eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt (§ 8 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 BBodSchG). Die Prüfwerte für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung sind keine Vorsorgewerte. Welche Vorsorge für das Grundwasser bei einem Bauvorhaben zu treffen ist, richtet sich nicht nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz und der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung, sondern gemäß § 7 Satz 6 BBodSchG nach den wasserrechtlichen Vorschriften (insbesondere nach den § 52 Absatz 1 WHG i.V.m. der regionalen Wasserschutzgebietsverordnung).
LAGA M 20 kann Vorsorgeanforderungen konkretisieren
Die LAGA M 20 ist nach Auffassung des BVerwG geeignet, die sich aus den wasserrechtlichen Vorschriften ergebenden Anforderungen an den offenen Einbau von mineralischen Abfällen sachverständig zu konkretisieren. Sie dient nicht allein dem Schutz des Bodens, sondern auch des Grundwassers. Maßgebend für die Schadstoffklassen, insbesondere für die Festlegung der Z 1-Werte ist in der Regel das Schutzgut Grundwasser (LAGA M 20 Teil II 1.2.3.2).
Einbau von Boden der Schadstoffklasse Z 1.1 in den Zonen I bis III A eines Wasserschutzgebietes nicht zulässig
Unter Beachtung dieses Grundsatzes ist, so das Gericht, nach LAGA M 20 Teil II ein offener Einbau von Boden in den Zonen I bis III A eines Wasserschutzgebietes bei Einhalten nur der Z 1.1-Werte nicht zulässig und zwar auch dann nicht, wenn bis 1 m über Gelände der Z 0-Wert eingehalten wird.
Zwar gelten nach Teil II Nr. 1.2.3.2 der LAGA M20 grundsätzlich die Z 1.1-Werte; bei Einhaltung dieser Werte ist selbst unter ungünstigen hydrogeologischen Voraussetzungen davon auszugehen, dass keine nachteiligen Veränderungen des Grundwassers auftreten. Unter hydrogeologisch günstigen Bedingungen kann Boden sogar mit Gehalten bis zu den Zuordnungswerten Z 1.2 offen eingebaut werden (LAGA M 20 Teil II ). Auch bei Unterschreiten der Zuordnungswerte Z 1 (Z 1.1 und ggfs. Z 1.2) ist ein offener Einbau nach Teil II Nr. 1.2.3.2 jedoch nur in Flächen möglich, die im Hinblick auf ihre Nutzung als unempfindlich anzusehen sind. Zudem soll der Abstand zwischen der Schüttkörperbasis und dem höchsten zu erwartenden Grundwasserstand in der Regel mindestens 1 m betragen.
Hierzu führt das BVerwG aus: “Festgesetzte Trinkwasserschutzgebiete (Zone I bis III A) sind ausdrücklich ausgenommen. Die Ausnahme bezieht sich nicht auf den in der Regel einzuhaltenden Ein-Meter-Abstand, sondern auf die Zulassung des offenen Einbaus insgesamt. Wasserschutzgebiete (Zone I bis III A) sind nicht – wie für den offenen Einbau von Z 1-Material vorausgesetzt – im Hinblick auf ihre Nutzung unempfindlich. Sie dienen der öffentlichen Wasserversorgung, die stärker geschützt werden soll als das Grundwasser im Allgemeinen. Eine ungegliederte Zone III steht insoweit einer Zone III A gleich (…) Ob abweichend hiervon die allgemeinen Regeln in Teil I Nr. 4.3.3.1 der LAGA M 20 vom 6. November 2003 voraussetzen, dass Z 1-Material auch in der Zone III A von Trinkwasserschutzgebieten verwertet werden darf, kann offen bleiben. Die LAGA hat in einer Vorbemerkung zur Veröffentlichung der LAGA-Mitteilung 20 auf ihrer Internetseite (Stand: 5. Juni 2012) klargestellt, dass nach den alten Regeln die Verwertung von Abfällen der Einbauklasse 1 in Trinkwasserschutzgebieten (Zone I bis III A) ausgeschlossen ist und dass diese Ausschlussgebiete weiterhin maßgebend sind.”
Abweichung von LAGA M20 ist möglich
Soll von den Standards der LAGA M 20 abgewichen werden, muss, so dass Gericht, ein sachlicher Grund geltend gemacht werden oder ersichtlich sein oder es muss eine behördliche Befreiung vom Verbot, wassergefährdende auswaschbare Materialien zu verwenden, unter den Voraussetzungen des § 52 Absatz 1 Satz 2 WHG (keine Schutzzweckgefährdung oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit) vorliegen.
Praktischer Hinweis:
Das Bundesverwaltungsgericht stärkt mit seinem Urteil die Bedeutung des von der Länderarbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) erarbeiteten Merkblatts „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen – Technische Regeln“ (LAGA M 20) in dem es dieses in den Ländern, wo es eingeführt ist, zum Standard für die Beurteilung der Schadstoffe in Böden, die in technische Bauwerke eingebaut werden sollen, erklärt – und zwar nicht nur für das bei dem Einbau zu beachtende Abfall – und Bodenschutzrecht, sondern auch für die zu beachtende wasserrechtliche Vorsorge. Abweichungen im Einzelfall sind möglich, müssen aber begründet werden.