Asbest in Bauabfällen

Nun sag, wie hast du’s mit Asbest?

So könnte man in Abwandlung der berühmten Gretchenfrage bei (fast) allen Sanierungsmassnahmen fragen. Denn diese anorganischen, natürlich vorkommenden Silikate, die in Form von Fasern und Faserbündeln auftreten, durften als Zusatzstoffe bis Oktober 1993 in Bauprodukten in Deutschland verwendet werden. Und sie wurden verwendet – viel und gerne und auch in Baustoffen und Bauteilen, in denen man nicht so ohne weiteres mit ihnen rechnet.
Der sog. nationale Asbestdialog https://www.bmas.de/DE/Arbeit/Arbeitsschutz/Gesundheit-am-Arbeitsplatz/Nationaler-Asbestdialog/nationaler-asbestdialog.html schätzt, dass in etwa 25% aller Bauwerke in Deutschland asbesthaltige Baustoffe verwendet wurden und in 30% bis 60% der Stahlbetonbrücken aus der Zeit von 1963 bis 1988 asbesthaltige Abstandshalter verbaut sind. Asbesthaltige Bodenbeläge hatten in den siebziger Jahren einen Marktanteil von etwa 20%. In ca. 25% aller in Deutschland vor 1995 errichteten Gebäude wurden asbesthaltige Putze, Spachtelmassen und Fliesenkleber verbaut.

Man muss also damit rechnen, dass bei sehr vielen Sanierungsmassnahmen asbesthaltiger Abfall anfällt.
Die LAGA M 23 „Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle“ https://www.laga-online.de/documents/m23_final_juni_2015_2_1517834576.pdf beschreibt asbesthaltige Abfälle als zur Entsorgung anfallende Materialien, Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse, die Asbest enthalten oder denen Asbestfasern anhaften.

Wann ist Abfall “asbesthaltig” bzw. “asbestfrei”?

Das ist bislang nicht verbindlich gesetzlich geregelt. Insbesondere ist nicht festgelegt, wie viele Fasern im Material toleriert werden können, um ein Material noch als asbestfrei zu deklarieren. Auch eine verbindliche Nachweisgrenze einer analytischen Methode (etwa wie in der TRGS 571), oder eine Unbedenklichkeitsschwelle für den Asbestanteil im Abfall ist gesetzlich nicht festgelegt https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arbeitsschutz/Asbestdialog/2020-05-07-asbestdialog-sachstand-bmu.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Wenngleich die Schadstoffvorerkundung bei vielen Sanierungsmaßnahmen an Gebäuden seit Jahren Standard ist, gibt es systematische gesetzliche Asbestvorerkundungspflicht bei Sanierung und Rückbau noch nicht. Im „Bericht des Erfahrungsaustausches zum Umgang mit Bau- und Abbruchabfällen mit geringen Asbestgehalten an den Abfalltechnikausschuss (ATA) der LAGA“ https://www.umweltministerkonferenz.de/umlbeschluesse/umlaufBericht2020_26.pdf aus 2020 an die Umweltministerien der Länder werden die sich hieraus ergebenden offenen Fragen für die Verwertung insbesondere mineralischer Bauabfälle deutlich.

Damit aber stellt sich aktuell ein Problem: Asbesthaltige Bauabfälle sind gefährliche Abfälle (AVV-Nr. 17 06 01* Dämmmaterial, das Asbest enthält und 17 06 05* asbesthaltige Baustoffe), die anders gelagert, verpackt, transportiert und entsorgt werden müssen als nicht gefährliche Bauabfälle. Gleichzeitig liegen zum Zeitpunkt des Beginns der Bauarbeiten / Sanierungsmassnahmen häufig keine gesicherten Erkenntnisse über den Asbesteintrag in den einzelnen Bauteilen vor. Die Trennung der asbesthaltigen Bauprodukte vom konventionellen Bauschutt ist außerdem häufig technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar. Wie entsorgt man also Bau- und Abbruchabfälle mit (sehr) geringen Asbestgehalten?

Die LAGA – “Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle – M 23” (S. 10) empfiehlt, dass asbesthaltige Abfälle Sortier-und Behandlungsanlagen nicht zugeführt werden dürfen, auch wenn – rechnerisch – der Anteil der Fasern unter 0,1 Gew.% liegt. Danach würde für die Einstufung als asbesthaltiger Bauabfall eine „Null-Toleranz-Grenze“ gelten. Die LAGA M 23 ist in den meisten Bundesländern eingeführt. Aber trotzdem legen die Bundesländer die Einstufung uneinheitlich aus. So gilt in Niedersachsen für asbesthaltige Baustoffe eine Grenze von 0,1- Gewichtsprozent Asbest im Bauabfall. Man orientiert sich dabei an der Gefahrstoffverordnung, nach der das In-Verkehr-Bringen von Produkten, die Asbest mit einem Gehalt > 0,1 Gew.-% enthalten, verboten ist.
Bayern fordert “Asbestfreiheit” etwa in zu entsorgenden Estrichen mit einem Nachweis zur Asbesthaltigkeit bzw. Asbestfreiheit, z. B. durch analytische Bestimmung mittels Rasterelektronenmikroskop (REM) oder gutachterliche Aussage. Dabei soll die Asbesteinstufung großzügig zugunsten des Arbeitsschutzes vorgenommen werden.

Wie hat mans nun mit Asbest in Bauabfällen?

Am 11. Mai 2020 hat der sog. Nationale Asbestdialog unter dem Dach des Bundesarbeitsministeriums zuletzt über den aktuellen – unbefriedigenden – Sachstand informiert. Bis zu einer gesetzlichen Klarstellung empfiehlt es sich, bei nachgewiesenem Asbest in Baustoffen bzw. Abfallfraktionen unabhängig vom Gewichtsanteil das Material bzw. den Abfall als asbesthaltig einzustufen und diesen entsprechend zu behandeln. Die Richtlinie VDI 3876 „Messen von Asbest in Bau- und Abbruchabfällen sowie daraus gewonnenen Recyclingmaterialien – Probenaufbereitung und Analyse“ legt hierbei die Vorgehensweise und die Untersuchung von Bau- und Abbruchabfällen in gemischten Haufwerken fest, wenn qualitativ oder quantitativ der Asbestgehalt bestimmt werden soll.