Ist Mutterboden (manchmal) Abfall?

Boden ist nicht gleich Boden. Das weiß jeder, der auf einer Baustelle mit Bodenaushub zu tun hat. Es gibt Unterboden und Oberboden – und es gibt Mutterboden. Und das ist ein ganz besonderer Stoff. Denn er ist (eigentlich) besonders geschützt.

So heißt es in § 202 BauGB „Schutz des Mutterbodens“: „Mutterboden, der bei der Errichtung und Änderung baulicher Anlagen sowie bei wesentlichen anderen Veränderungen der Erdoberfläche ausgehoben wird, ist in nutzbarem Zustand zu erhalten und vor Vernichtung oder Vergeudung zu schützen.“

Dem trägt aktuell die Technische Regel Boden (TR Boden) Rechnung. Denn „Bodenmaterial“ im Sinne der LAGA-Mitteilung 20 „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen – Technische Regeln, Stand 2003″ ist Material aus Böden im Sinne von § 2 Abs. 1 BBodSchG und deren Ausgangssubstraten, jedoch ohne Mutterboden.

Die LAGA-Mitteilung 20 gilt nur für die Bewertung der Schadlosigkeit von
– mineralischen Abfällen, die ungebunden oder gebunden in technischen Bauwerken eingebaut werden,
– mineralischen Abfällen, die zur Herstellung von Bauprodukten verwendet werden,
– Bodenmaterial, das unterhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht in bodenähnlichen Anwendungen verwertet wird.

Entsprechend ist derzeit Mutterboden vom Anwendungsbereich der TR Boden ausgenommen. Allerdings ist nirgendwo explizit geregelt, dass Mutterboden kein Abfall sein kann.

Dagegen ist die Einhaltung der Vorsorgewerte maßgeblich für den Einbau von Mutterboden gem. § 12 BBodSchV. § 12 BBodSchV enthält die bodenschutzrechtlichen Regeln für die Aufbringung von Material auf oder in den Boden. Der Anwendungsbereich umfasst das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in eine durchwurzelbare Bodenschicht sowie das Herstellen einer durchwurzelbaren Bodenschicht. Die Norm enthält Vorgaben hinsichtlich der zulässigen Schadstoffgehalte und sonstiger Eigenschaften. Insoweit gelten für die Nutzung von Mutterboden grdsl. die Vorsorgewerte der BBodSchV.

Mutterboden ist also hinsichtlich seiner möglichen Schadstoffgehalte derzeit bodenschutzrechtlich zu beurteilen, grundsätzlich jedoch nicht abfallrechtlich, da er vom Anwendungsbereich der LAGA M 20 ausgeschlossen ist.

Anders wird die Rechtslage nach Inkrafttreten der Ersatzbaustoffverordnung (EBV) und der novellierten BBodSchV ab 1. August 2023 sein. Mit deren Inkrafttreten ist die Einhaltung der Anforderungen der EBV Maßstab für die ordnungsgemäße Verwertung mineralischer Abfälle – und nicht mehr die LAGA M 20.

Gem. § 1 Abs. 1 EBV unterfällt Bodenmaterial grundsätzlich dem Anwendungsbereich der EBV – ist also grundsätzlich als Abfall / Ersatzbaustoff zu behandeln, wenn es nicht in auf oder in einer durchwurzelbaren Bodenschicht (§ 1 Abs. 2 Nr. 2a) oder unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht, ausgenommen in technischen Bauwerken (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 b), verwendet wird.

In § 2 EBV wird „Bodenmaterial“ als Bodenmaterial im Sinne von § 2 Nummer 6 der BBodSchV n.F. definiert. Und in § 2 Nr. 6 BBodSchV n.F. heißt es: „Bodenmaterial: Material aus dem Oberboden, dem Unterboden oder dem Untergrund, das ausgehoben, abgeschoben, abgetragen oder in einer Aufbereitungsanlage behandelt wird oder wurde. “

In § 2 Abs. 2 BBodSchV n.F. ist außerdem geregelt, dass Mutterboden im Sinne des § 202 Baugesetzbuch dem bodenschutzrechtlichen Begriff des Oberbodens entspricht. Und der Oberboden wird als oberer Teil des Mineralbodens definiert, der einen der jeweiligen Bodenbildung entsprechenden Anteil an Humus und Bodenor-ganismen enthält und der sich meist durch dunklere Bodenfarbe vom Unterboden abhebt, in der Regel Ah-, Aa-, Al-, Ac- und Ap-Horizonte; die organischen O- und L-Horizonte.

Demnach ist ab Inkrafttreten der EBV und novellierten BBodSchV Oberboden und Mutterboden boden- und abfallrechtlich einheitlich definiert. Ob auf dessen Verwendung das Bodenschutzrecht (BBodSchV n.F.) oder das Abfallrecht (EBV) anzuwenden ist, hängt von der Verwendung desselben ab.

Mutterboden kann also ab 1. August 2023 (manchmal) Abfall sein.